A. Erlach: Die Geschichte der Homöopathie in der Schweiz

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Titel
Die Geschichte der Homöopathie in der Schweiz 1827–1971.


Autor(en)
Erlach, Alexander
Reihe
Quellen und Studien zur Homöopathiegeschichte, Bd. 12
Erschienen
Stuttgart 2009: Karl F. Haug
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hubert Steinke, Medizinhistorisches Institut

Alternative und komplementäre Heilmethoden sind keine neuartigen Modeerscheinungen, sondern Konstanten, die die universitäre Medizin seit deren Vereinheitlichung als methodisch und inhaltlich klar definierte Schulmedizin um die Mitte des 19. Jahrhunderts begleiten. Sie erfreuten sich wechselnder Beliebtheit und wurden im Zug des erneuten Aufschwungs ab den 1970er-Jahren und vor allem in den letzten 15 Jahren zunehmend auch Gegenstand der historischen Forschung. Dennoch sind unsere Kenntnisse über die Geschichte der Komplementärmedizin noch sehr lückenhaft, besonders in der Schweiz. Dies gilt auch für die Homöopathie als der mit Abstand am stärksten verbreiteten Alternativmethode.

Alexander Erlach liefert nun die erste grössere Studie zur Geschichte der Homöopathie in der Schweiz. Den Schwerpunkt des Buches bilden zwei grössere Kapitel über die Anfänge der Homöopathie und den Schweizerischen Verein Homöopathischer Ärzte, an die sich kürzere Kapitel über die Entwicklung im Welschland, die homöopathischen Spitäler, die Zeitschriften, die internationalen Beziehungen, die Hersteller homöopathischer Arzneimittel und die Laienhomöopathie anschliessen. Den Schluss bilden drei längere Biographien bedeutender Schweizer Homöopathen (Rudolf Flury, Antoine Nebel sen. und Pierre Schmidt).

Wie der Autor selbst betont, schreibt er überwiegend eine Geschichte der ärztlichen Homöopathie. Er hat sich bemüht, die wichtigeren Figuren biographisch fassbar zu machen und in ihrer ärztlichen, wissenschaftlichen, publizistischen und vereinsrelevanten Tätigkeit zu zeigen. So treffen wir – um uns auf die wichtigsten drei Berner zu beschränken – auf Karl Krieger (1817–1874), einen aus Württemberg stammenden Gymnasiallehrer, der aus Begeisterung für die Homöopathie das Medizinstudium nachholte, die alternative Methode mit Erfolg bei Arm und Reich anwandte und ihr so als Erster in Bern zum Ansehen verhalf. In Kriegers Fussstapfen trat Emil Schädler (1822–1890), der während langer Zeit den Schweizerischen Verein präsidierte und internationale Anerkennung genoss. Generationen später tätig war Rudolf Flury (1903–1977), der vor allem Bedeutung als einheitsstiftender Vereinspräsident und als Lehrer im gesamten deutschen Sprachraum erlangte.

In Erlachs Buch erscheint die Geschichte der Homöopathie als eine «Ahnenreihe» (S. 161) homöopathischer Ärzte. Den Fokus auf die Ärzte begründet der Autor mit den spärlichen Quellen zur nichtärztlichen Homöopathie (S. 3) und blendet dabei aus, dass es etwa mit dem Schweizer Volksarzt – Wochenschrift für Homöopathie und Volksheilkunde (1868–1900) zwar eine weitverbreitete, von Laien herausgegebene Zeitschrift, aber kein von Ärzten redigiertes Fachjournal gab; weitere Quellen liessen sich leicht finden. Die Schwäche des Buchs liegt allerdings nicht im Fokus auf die Ärzte – dieser ist durchaus legitim –, sondern in der Einnahme einer ärztlich-homöopathischen Binnensicht. Der Kontext, in welchem die Homöopathen agieren, ist weitgehend ausgeblendet. Dabei wäre es gerade bei einer Aussenseitermethode naheliegend zu fragen, wie sich diese an den gegebenen Strukturen, sprich: Schulmedizin, Öffentlichkeit und Patientenwünschen reibt. Ein erster Ansatz könnte im Streit mit den Vertretern der «Staatsmedizin» (ein damals üblicher Begriff für die Schulmedizin) liegen, wie ihn etwa Schädler mit dem Berner Pathologieprofessor Philipp Munk in Presse und Pamphleten geführt hatte (worauf Erlach nicht weiter eingeht). Von da aus liessen sich allmählich in unterschiedlichen Perspektiven die verschiedenen Schichten und Bereiche der Homöopathiegeschichte beleuchten.

Bei dieser aus anspruchsvoller Warte formulierten Kritik ist zu bedenken, dass es sich um eine überarbeitete medizinische Dissertation (Zürich 2004) und nicht um eine professionelle historische Arbeit handelt. Man muss daher hervorheben, dass der Autor mit grossem Aufwand umfangreiches Material gesammelt und eine weit überdurchschnittliche Arbeit geleistet hat. Das Buch ist ein lang ersehnter und der bisher wichtigste Beitrag zur Geschichte der Homöopathie in der Schweiz (und auch in Bern). Alexander Erlach hat sicher nicht – wie der etwas unpräzise Titel nahelegt – «Die Geschichte der Homöopathie in der Schweiz» geschrieben, aber doch eine wertvolle Beschreibung von Persönlichkeiten, Ereignissen und Institutionen geliefert, die es seinen Nachfolgern erleichtern wird, eine solche Geschichte schreiben zu können.

Zitierweise:
Hubert Steinke: Rezension zu: Erlach, Alexander: Die Geschichte der Homöopathie in der Schweiz 1827–1971, Stuttgart, Karl F. Haug 2009. (Quellen und Studien zur Homöopathiegeschichte, Bd. 12, zugl. Diss. med. Univ. Zürich 2004). Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 2, Bern 2010, S. 168-169.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 72, Nr. 2, Bern 2010, S. 168-169.

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